In der Tradition der Kritischen Theorie wird Antisemitismus nicht als losgelöstes Element der bürgerlichen Gesellschaft verstanden, sondern als untrennbarer Bestandteil von ihr. Während Antisemitismus mit (falscher) Welterklärung und mörderischer Praxis kapitalistische Vergesellschaftung stabilisiert, bedroht er sie zugleich auch.

Antisemitismus und Kapitalismus können nicht ohneeinander erklärt und begriffen werden. Die Kritik des Antisemitismus ist daher immer auch die Kritik der Gesellschaft und umgekehrt. Es ist darum kaum verwunderlich, dass er heute in allen Teilen der Gesellschaft und in allen politischen Spektren zu finden ist und angesichts der aktuellen Krisen stetig zu wachsen scheint. Mit einem neuen Höhepunkt im letzten Jahr – dem größten antisemitischen Pogrom seit der Schoah.

In dieser Perspektive wird der radikale Antisemitismus besonders in seiner nationalsozialistischen, heute aber auch in islamistischen Spielarten des „Erlösungsantisemitismus“, als ein Versuch einer negativer Aufhebung des Kapitals verstanden. Der Vortrag von Colin Kaggl wird diese Perspektive beleuchten und dabei in grundlegende Begriffe einer materialistischen Kritik des Antisemitismus – wie der autoritären Persönlichkeit, konformistischen Rebellion, Ticketdenken, verkürzte Kapitalismuskritik und andere – einführen und Raum für die gemeinsame Diskussion geben. Dadurch sollen ein Rüstzeug und ein kritisches Instrumentarium für die gegenwärtigen Diskurse über den Antisemitismus vermittelt werden.

Colin Kaggl, M.A M.A hat Soziologie und Politikwissenschaft in Wien und Berlin studiert. Neben der Theorie und Kritik des Antisemitismus zählen die psychoanalytischen Grundlagen der Kritischen Theorie, die Geschichte der Psychoanalyse sowie Geschichte und Ideologie des Nationalsozialismus zu seinen Arbeitsschwerpunkten. Aktuell arbeitet er in einer zivilgesellschaftlichen Organisation an einem Projekt über Antisemitismus und Polizei.

Beginn ist um 19h. Der Eintritt ist frei.